Hilde Spiel

Mit dem Kauf eines Hauses in St. Wolfgang, begann die Integration in die Österreichische Künstlerszene.

Hilde Spiel hat sich in der Erinnerung der Menschen vielfach als die „Grande Dame der österreichischen Literatur“ eingeprägt. Am 19. Oktober 1911 in Wien geboren, erlebte sie in ihrer Kindheit das Ende der Österreich-Ungarischen Monarchie, die sie zeitlebens als "Belle Epoque des österreichischen Kaiserreichs" etwas zu verklären neigte.
Ihre Jugend war geprägt von der Aura der Wiener zwanziger Jahre, der Zeit des Expressionismus. Sie verkehrte in der Literatenszene des Café „Herrenhof“, zu dessen Stammgästen Franz Werfel und der junge Friedrich Torberg zählten. Ihr erster Erfolg stellte sich sehr früh ein.

1933 – während ihres Studiums der Philosophie und Psychologie – erschien ihr erster Roman „Kati auf der Brücke“, der ein Jahr später mit dem begehrten Julius-Reich-Preis ausgezeichnet wurde. 1936 emigrierte Hilde Spiel unter dem Eindruck der Ermordung des Philosophen Moritz Schlick nach London, wo sie den deutschen Schriftsteller und Journalisten Peter de Mendelssohn heiratete. Prägend für ihre literarische Laufbahn wurde die Arbeit für die Zeitschrift „New Statesman“. Durch die englische Wortwahl eher bereichert als beschränkt, entstanden in der angesehenen linksliberalen Wochenzeitschrift in den folgenden Jahren ihre ersten Meisterwerke der Essayistik.

Im Spätherbst 1946 folgte Hilde Spiel mit ihren beiden Kindern ihrem Mann nach Berlin, wo ihre Karriere als Theaterkritikerin in der Berliner Ausgabe der „Welt“ begann. Der „Kalte Krieg“ beendete ihren Aufenthalt. Nach London zurückgekehrt, schrieb sie für eine Reihe von deutschen Zeitungen Kulturberichte und übersetzte die Werke der Dramatiker Tom Stoppard und James Saunders und des Dichters W.H. Auden.

Schwankend zwischen zwei Zugehörigkeiten, behielt Hilde Spiel in den Fünfzigerjahren ihren Hauptwohnsitz in London. Mit dem Kauf eines Hauses in St. Wolfgang, das sie während der Sommermonate bewohnte, begann aber ihre Integration in die Österreichische Künstlerszene. Hier festigten sich ihre freundschaftlichen Beziehungen zu den großen Schriftstellern ihrer Zeit, zu Heimito von Doderer, Leo Perutz, zu ihrem Grundstücks-Nachbarn Alexander Lernet-Holenia, und in späteren Jahren zu Thomas Bernhard, dessen literarisches Talent sie früh erkannte.
Der langjährige P.E.N.-Präsident Franz Theodor Csokor zählte ebenso zu ihren Gästen in St. Wolfgang wie der streitbare Elias Canetti und der lebenslange "Freundfeind" Friedrich Torberg.

Bevor sie 1963 endgültig nach Österreich zurückkehrte, war sie durch ihre literaturgeschichtlichen Essays, ihre Romane und Erzählungen weit über die Grenzen bekannt. Zu ihren Lieblingswerken zählten die Biographie „Fanny von Arnstein“ und der Emigrantenroman „Darkened Room“ (Lisas Zimmer). Im Jahr ihrer Rückkehr nahm sie ein Angebot der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an, für die sie in den nächsten zwanzig Jahren als Kulturkorrespondentin tätig war. Nach ihrer Scheidung von Peter de Mendelssohn ging sie eine zweite Ehe mit dem Schriftsteller und pensionierten BBC-Korrespondenten Hans Flesch-Brunningen ein.

Hilde Spiel wurde vielfach geehrt. Sie war Trägerin des Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft, des Goldenen Ehrenzeichens der Stadt Wien. Sie wurde zum Professor honoris causa ernannt, und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zeichnete sie für ihr essayistisches Werk aus. Auch für den österreichischen Pen Club wurde sie tätig.

1965 übernahm sie die Funktion der Generalsekretärin, 1971 wurde sie zur Vizepräsidentin gewählt.

1983 kehrte sie kurzfristig wieder nach England zurück, als Londoner Korrespondentin der FAZ, zog sich aber wegen einer beginnenden Krebserkrankung bereits ein Jahr später endgültig ins Privatleben zurück. In den letzten zwei Lebensjahren rang sie sich ihre Autobiographie ab, die sie unbedingt fertig stellen wollte, bevor sie am 30. November 1990 starb.

Werkgeschichte von Hilde Spiel


  • 1933   Kati auf der Brücke Berlin/Wien: Paul Zsolnay Verlag
  • 1935  Verwirrung am Wolfgangsee Leipzig/Wien: R.A. Höger
  • 1939  Flute and Drums London: Hutchinson
  • 1953  Der Park und die Wildnis Essays. München: C.H. Beck
  • 1958 Sir Laurence Olivier [Biographie] Berlin: Rembrandt-Verlag (Rembrandt-Reihe Bühne und Film, Bd. 11).
  • 1956  London: Stadt, Menschen, Augenblicke. Ein Bildband von Elisabeth Niggemeyer mit Texten von Hilde Spiel. München: Süddeutscher Verlag
  • 1960  Welt im Widerschein. Essays. München: C.H. Beck
  • 1961  The Darkened Room [dt.: Lisas Zimmer]. London: Methuen Juni
  • 1962  Fanny von Arnstein oder Die Emanzipation. Ein Frauenleben an der Zeitenwende. 1758-1818 Frankfurt/M.: Fischer
  • 1965  Lisas Zimmer [engl. Orig.: The Darkened Room]. München: Nymphenburger Verlagshandlung
  • 1968  Rückkehr nach Wien. Tagebuch 1946 München: Nymphenburger Verlagshandlung
  • 1971  Städte und Menschen. Beiträge Wien/München: Jugend- und Volk-Verlagsgesellschaft
  • 1976  kleine schritte. Berichte und Geschichten München: Edition Spangenberg
  • 1980  Mirko und Franca Erzählung. München: Nymphenburger Verlagshandlung
  • 1981  In meinem Garten schlendernd Essays. München: Nymphenburger Verlagshandlung
  • 1981  Die Früchte des Wohlstands München: Nymphenburger Verlagshandlung
  • 1984  Englische Ansichten. Berichte aus Kultur und Politik Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt
  • 1985  Der Mann mit der Pelerine und andere Geschichten Ill. v. G. Eisler. Bergisch Gladbach: Lübbe
  • 1986  Frühe Tage: Kati auf der Brücke, Verwirrung am Wolfgangsee, Flöte und Trommeln. Mit einem Nachwort v. Geno Hartlaub. München/Hamburg: Knaus
  • 1987  Vienna's Golden Autumn 1866-1938 [dt.: Glanz und Untergang. Wien 1866 bis 1938]. London: Weidenfeld and Nicolson
  • 1987  Der Baumfrevel Neues Kapitel aus einem ungeschriebenen Buch. Stuttgart: Radius
  • 1987  Glanz und Untergang. Wien 1866 bis 1938. Übersetzt v. Hanna Neves. Wien: Kremayr und Scheriau
  • 1988  Anna und Anna Programmbuch Nr. 30 [Originaltext mit Strichen für die Bühnenfassung]. Hrsg. v. Burgtheater Wien. (c) Wien: Thomas Sessler Verlag
  • 1989  Die hellen und die finsteren Zeiten. Erinnerungen 1911-1946 München: List
  • 1990  Welche Welt ist meine Welt? Erinnerungen 1946-1989 München: List
  • 1991  Die Dämonie der Gemütlichkeit. Glossen zur Zeit und andere Prosa. Zusammengestellt u. hrsg. v. Hans A. Neunzig. München: List
  • 1992  Das Haus des Dichters Literarische Essays, Interpretationen, Rezensionen. Zusammengestellt und herausgegeben von Hans A. Neunzig. München: List

Von Hilde Spiel herausgegebene Bücher


  • 1960  England erzählt. Kurzgeschichten Hrsg. und mitübersetzt von Hilde Spiel. Frankfurt/M./Hamburg: Fischer Bücherei
  • 1964  William Shakespeare: König Richard III. [King Richard III., deutsch] Vollständiger Text in der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel. Dokumentation. Frankfurt/M./Berlin: Ullstein
  • 1969  Ver Sacrum. Neue Hefte für Kunst und Literatur Hrsg. v. Hilde Spiel, Otto Breicha u. Georg Eisler. Wien: Verlag Jugend und Volk
  • 1971  Wien. Spektrum einer Stadt Hrsg. und mitverfasst v. Hilde Spiel. Mit Beiträgen von Friedrich Achleitner, Gotthard Böhm, Friedrich Heer, Paul Kruntorad, Eduard März, Piero Rismondo, Wieland Schmied, György Sebestyén, Kurt Skalnik, Hilde Spiel, Hans Weigel, Erik G. Wickenburg. Wien/München: Verlag Jugend und Volk 1971; München: Biederstein 1971. Darin Beiträge von Hilde Spiel: Vorwort. S. 9-11. 1. Eine Stadt steigt aus der Geschichte. S. 13-31. 2. Das wienerische Antlitz. S. 32-51. 3. Die steinerne Vergangenheit. S. 52-58. 5. Der liebe gute alte Herr. S. 80-95. 6. Das große Spektakel. S. 96-109. 7. Die geselligen Eigenbrötler. S. 110-23. 8. Kaffeehaus als Weltanschauung. S. 124-40. 11. Die Wahrheit im Weinlied. S. 168-78. 13. Die Dämonie der Gemütlichkeit. S. 190-201. 14. Das literarische Wien. S. 202-19.
  • 1976  Die Zeitgenössische Literatur Österreichs Bd. 5 und 6. Hrsg. und mitverfasst v. Hilde Spiel. In: Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart: Autoren. Werke. Tendenzen seit 1945. Zürich/München: Kindler 2., verbesserte Auflage 1980.
  • 1978  Der Wiener Kongress in Augenzeugenberichten Düsseldorf: Rauch 1965. 31966. Neuauflage: München: dtv.
  • © Ingrid Schramm