Leo Perutz

Nach 19 Jahren Exil und vielen Sommer in St. Wolfgang starb der große Dichter 1957 in Bad Ischl.

Als Leo Perutz am 25. August 1957 während eines Sommeraufenthaltes in Bad Ischl starb, hatte er 19 Jahre im Exil gelebt. Er war ein gebrochener Mann, isoliert von seinen Freunden, vergessen am literarischen Markt, finanziell ungesichert, traurig und depressiv. Dabei hatte Perutz zu Beginn der 20er Jahre zu den meistgelesenen Autoren in Wien und Berlin gehört.
Perutz wurde 1882 in Prag geboren als Sohn einer deutschsprachigen, jüdischen Kaufmannsfamilie, die man zu den gehobeneren Kreisen der Prager Gesellschaft zählen durfte. Zur Jahrhundertwende siedelte die Familie aus geschäftlichen Gründen nach Wien über. Leo Perutz schaffte die Matura nicht, ließ sich aber als Gasthörer an der Wiener Universität zum Versicherungsmathematiker ausbilden. Seine ersten Anstellungen fand er bei der Assicurazioni Generali in Triest und bei der Ankerversicherung in Wien. Die Mathematik sicherte lange Zeit seinen Lebensunterhalt. Perutz erfand die in der Versicherungswirtschaft damals wichtige „Perutz´sche Ausgleichsformel“. Die Mathematik beschäftigte ihn aber auch privat.
Die ersten literarischen Versuche fielen bereits in die Zeit kurz nach der Jahrhundertwende. Perutz war in den 20er Jahren ein bekannter und gefragter Autor, ein scharfzüngiges, sarkastisches, unabhängiges Original der Wiener Kaffeehausszene. „Die Brennessel ist meine liebste Blume. Sie duftet nicht, sie blüht nicht. Aber sie brennt.“
1914 in sein Tagebuch. Er kennzeichnet das für ihn in dieser Zeit typische Lebensgefühl. Er war eine zentrale Figur der Wiener Kaffeehausliteratenszene, war Gegenstand zahlreicher Anekdoten, verstrickte sich in Auseinandersetzungen, duellierte sich, schrieb, reiste, heiratete, bekam drei Kinder, stand in jeder Hinsicht am Zenit seines Lebens.
1928 aber starb seine Frau bei der Geburt des dritten Kindes. Perutz fiel in tiefe Depression. Er zog sich von beinahe allen Freunden zurück, das Zusammenleben mit seinen Kindern war konfliktreich, besonders nach seiner zweiten Heirat im Jahr 1935, die Spannungen mit seiner Herkunftsfamilie wuchsen, die finanzielle Situation wurde schwieriger, die literarische Produktivität nahm ab.
Den ersten Verhaftungswellen war Perutz mit seiner Famile 1938 noch entgangen. Im Juli 1938 sah sich aber auch er gezwungen, Wien und Österreich zu verlassen. Die quälenden Erinnerungen aus diesen letzten Wochen in Wien spiegeln sich im Romanfragment „Mainacht in Wien“.
Im September 1938 erreichte Perutz Palästina, wohin sich bereits sein jüngerer Bruder, ein Industrieller, geflüchtet hatte, der viele Jahre für den Lebensunterhalt der Familie Leo Perutz mit aufgekommen ist.
Perutz’ Leben im Exil war geprägt von finanziellen Sorgen, von Auseinandersetzungen in der Familie, von Einsamkeit und Sehnsucht nach seinen Freunden und von literarischen Schaffenskrisen. Er war abgeschnitten von allem, was ihm einst Lebenskraft gab.

Zur Werkgeschichte von Leo Perutz


Perutz' Bücher entziehen sich einer klaren literaturwissenschaftlichen Einordnung. Logisch begabt, erfand Perutz phantastische Romane auf historischer Grundlage und konstruierte sie durch bis ins Detail. Er gab Rätsel vor und löste sie - für sich und seine Leser. Seine Bücher geben nie ein letztgültiges Bild vom Geschehen. Immer ist noch eine andere Lesart möglich, bleiben am Ende beim Leser Zweifel. Bei Perutz sind die Protagonisten ihrer Identität beraubt, Identitäten vermischen oder verdoppeln sich, Mystisches mengt sich mit Realem.

Perutz’ Helden sind gespaltene Persönlichkeiten, Entfremdete, Getriebene; gefangen in ausweglosen Verstrickungen ihrer eigenen Wahrnehmung. Hinter den spannenden Romanhandlungen verbergen sich Abgründe der menschlichen Seele. Perutz´ Werke existieren in der Spannung zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Wahrheit und Täuschung, zwischen Erinnern und Vergessen.

Den ersten Roman „Die dritte Kugel“ veröffentlichte Perutz im Jahr 1915. Ihm folgen 1916 „Das Mangobaumwunder“, 1918 „Zwischen neun und neun“, 1919 „Der Marques de Bolibar“, 1923 „Turlupin“ und „Der Meister des jüngsten Tages“, 1927 „Wohin rollst du Äpfelchen?“ und 1930 die Novellensammlung „Herr erbarme dich meiner“.

Sein 1933 fertig gestellter Roman „St. Petri Schnee“ durfte in Deutschland bereits nicht mehr erscheinen, „Der schwedische Reiter“ von 1936 fand keine Leser mehr. In diesen letzten Lebensjahren entstanden sein wohl wichtigster Roman „Nachts unter der steinernen Brücke“, ein im Prag Rudolph II. spielender, kunstvoll komponierter Novellenroman, und „Der Judas des Leonardo“. Beide Werke schafften den Durchbruch zu Perutz´ Lebzeiten nicht.