Programm: 3. und 4. September 2010
Veranstaltungsort: Literatenpark am Wolfgangsee Ferienhort Ried 1; 5360 Ried bei St. Wolfgang Bei Schlechtwetter: Schulgebäude im Ferienhort Ried 1; 5360 Ried bei St. Wolfgang
Ein „Trailer-Spezial“ mit Frank Hoffmann wird interessante Einblicke in jene Filme geben, deren Drehbücher nach Romanen der „Wolfgangsee-Literaten“ Leo Perutz und Alexander Lernet-Holenia verfasst wurden.
In Zusammenarbeit mit dem FILMARCHIV AUSTRIA zeigen wir: „Meister des jüngsten Tages“ (Leo Perutz) – 1990 verfilmt von Michael Kehlmann, mit Miguel Herz-Kestranek und Helmut Lohner in den Hauptrollen sowie „Spionage“ – Oberst Redl (Alexander Lernet-Holenia) – 1955 verfilmt von Franz Antel, mit Oskar Werner und Barbara Rütting in den Hauptrollen
Mit Frank Hoffmann, Schauspieler, Regisseur und Intendant , 20 Jahre Gestaltung und Moderation der ORF-TV-Sendung „Trailer “
„Wolfgangsee Literatur“ – steht für literarische Aktivitäten rund um den Wolfgangsee, mit dem Ziel, das in der Region entstandene künstlerische Erbe zu wahren, die hier heimisch gewordenen Literaten und deren Werke im Licht der Öffentlichkeit zu behalten und letztendlich die Kraft der Literatur den Menschen nahe zu bringen.
Die Detailinformationen zum Programm 2010 finden Sie bitte nachstehend in diesem Dokument.
DIE WOLFGANGSEE REGION – KREATIV-REFUGIUM FÜR KÜNSTLER
Die Region um St. Wolfgang hat und hatte seit jeher eine besondere Anziehungskraft auf Kunst- und Kulturschaffende. Für Alexander Lernet-Holenia und seine Schriftstellerfreunde Hilde Spiel und Leo Perutz war St. Wolfgang zweite Heimat und Kreativ-Refugium zugleich. Lernet-Holenia und Hilde Spiel lebten hier in eigenen Landvillen. Leo Perutz war über viele Jahre Stammgast im sommerlichen St. Wolfgang – nur unterbrochen durch die Zeit im israelischen Exil. An seinem Roman „Nachts unter der steinernen Brücke“ hat Leo Perutz hier intensiv gearbeitet. Hilde Spiels „Verwirrung am Wolfgangsee“ und „Der Baumfrevel“ ist durch die Region stark beeinflusst. In den Fünfzigern war Hilde Spiels Sommerhaus geistiger Mittelpunkt und „Literarischer Salon“: Heimito von Doderer, Thomas Bernhard, Friedrich Torberg und viele andere Künstler und Gäste versammelten sich hier und erfreuten sich am Wolfgangsee. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbrachte Marie von Ebner-Eschenbach über 10 Jahre lang ihre Sommer in St. Gilgen und war begeistert von der prachtvollen Umgebung, die sie zu zahlreichen Werken angeregt hat.
Große Romane der Weltliteratur waren für renommierte Regisseure oftmals besonders interessante Vorlagen für Filmprojekte und wurden mit bekannten Schauspielern besetzt. „Der alte Mann und das Meer“ oder „Doktor Schiwago“ in den frühen Jahren des Films sind Filmfreunden ein Begriff. Auch Romane der Wolfgangsee-Literaten Leo Perutz und Alexander Lernet-Holenia waren Vorlagen für namhafte Filmprojekte. Frank Hoffmann wird anhand von Filmausschnitten und der Lesung der gegenständlichen Textpassagen vorführen, wie sehr die schriftstellerische Arbeit der „Wolfgangsee-Literaten“ in der filmischen Umsetzung Niederschlag gefunden hat.
Freitag, 3. September 2010, 19.00 Uhr „Der Meister des Jüngsten Tages“ nach dem Roman von Leo Perutz
Drehbuch: Michael Kehlmann, Peter Zeindler, Regie: Michael Kehlmann, Schauspieler: Michael Degen, Miguel Herz-Kestranek, Alexander Kerst, Helmut Lohner, Ernst Stankovski, Günther Mack u.a.., Premiere: 28. Oktober 1990.
„Der Meister des Jüngsten Tages“ ist zweifellos der größte Erfolg des österreichisch-jüdischen Autors Leo Perutz, der wie fast jeder „wirkliche“ Wiener in Prag, am 2. November 1882, geboren wurde. Nach den Wirren zweier Weltkriege, der Flucht vor den Nazis nach Palästina kehrte er nach der braunen Barbarei wieder nach Österreich zurück. Seine Sommerfrische verbrachte er wie vor der Vertreibung an seinem geliebten Wolfgangsee. Im Sommer 1957 erkrankte er plötzlich und verstarb am 25. August Bad Ischl (sein Leben zu verfilmen wäre übrigens nicht nur sehr spannend, sondern anhand seines Schicksals auch ein dramatisches Stück europäischer Zeitgeschichte). Sein literarischer Kriminalroman, erschienen 1923, wurde aber nicht nur vom Publikum hoch geschätzt, auch Schriftsteller-Kollegen wie Jorge Luis Borges oder Philosophen wie Theodor W. Adorno und Walter Benjamin reihten ihn unter die „Großen Kriminalromane des 20. Jahrhunderts“. Jedoch erst knappe 70 Jahre nach seinem Erscheinen (1990) entdeckte Regisseur Michael Kehlmann diesen Stoff fürs Kino. Dabei boten sich doch die bis heute brisanten Ingredienzien dieser mysteriösen Geschichte um mehrere Selbstmorde im Wien um die Jahrhundertwende geradezu von selbst für eine Verfilmung an. Schließlich sollen sich zuerst der Hofschauspieler Eugen Bischoff und später sogar der investigative Ingenieur Solgrub bei einem Selbstversuch mit einer bewusstseinserweiternden Droge umgebracht haben, die in der beschriebenen Wirkung stark an das heute in Gebrauch befindliche Crack gemahnt, dessen Rezeptur aber im Roman auf einen florentinischen Maler aus dem 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann, der diese wiederum von einem Alchemisten bezog, um seiner verlorenen Kreativität auf die Sprünge zu helfen. Soviel nur andeutungsweise zum weitaus komplexeren Inhalt. Michael Kehlmann vertraute die Hauptrollen Schauspielern mit Theater-Erfahrung an und verzichtete – sehr zum Vorteil des Films – auf sogenannte Filmstars. Ob die Bearbeitung des Endes der Geschichte seinem Film ebenfalls zum Vorteil gereichte, möge der geneigte Zuseher selbst entscheiden.
Samstag, 4. September 2010, 19.00 Uhr „Spionage“ (Oberst Redl) nach dem Roman von Alexander Lernet- Holenia
Drehbuch: A. Lernet-Holenia, Kurt Nachmann, Regie: Franz Antel, Schauspieler: Ewald Balser, Barbara Rütting, Gerhard Riedmann, Oskar Werner, Rudolf Forster, Attila Hörbiger, u.a., Premiere: 18. April 1955.
Der tragische Fall des Oberst Alfred Redl (1864-1913) ist aus dem Stoff, den man sich als Schriftsteller wie als Filmemacher nur träumen kann. Hinter der Fassade eines strammen, tatkräftigen hohen Militärs verbergen sich Elemente von „Sex and Crime“, wobei das eine das andere bedingt. Der offenbar untadelige Oberst der österreichisch-ungarischen Armee ist homosexuell und das war um die Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert nicht nur nach bürgerlichem Verständnis eine Todsünde. Die Folge: Erzwungenes Doppelleben – hier strammer Militär, da ein von seiner Leidenschaft getriebener Mensch – und ein Gestrüpp von Heimlichkeiten in schützendem Dunkel. Das macht ihn zum idealen Erpressungsopfer für den russischen Geheimdienst. Auf Grund seiner hohen Position hat Redl Zugang zu allen brisanten Unterlagen der Armee und wird damit zum wichtigsten Spion und Kollaborateur des Zarenreichs. Am 25.Mai 1913 wird Redl schließlich enttarnt und von Mitarbeitern des Generalstabschefs Conrad v. Hötzendorf, in einem Wiener Hotel zum Selbstmord gezwungen. Hötzendorf, Chef des Generalstabs, fürchtete sich vor peinlichen Befragungen in diesem Fall und informiert Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und den Kaiser, Oberst Redl habe sich „aus unbekannter Ursache“ erschossen. Ein tragisches Einzelschicksal, in dem sich die Geschichte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts spiegelt. Franz Antels Film wartet mit allen Wiener Bühnenstars auf, die in den 1950er-Jahren gut und teuer waren.